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Kungsleden: Singi nach Kebnekaise

Autor: Michael Fiukowski          🔘         Lesezeit: ~4 Minuten

14KM

4-6h

+200M/ -230M

Schwierig


Ist er es oder ist er es doch nicht?

Wir wachen in der Dämmerung auf und durch den Pass ziehen die Wolken direkt über uns hinweg. An den Gräsern hängen schwere Tropfen, die vom Wind davon geweht werden. Von hier aus kann man normalerweise den Kebnekaise, Schwedens höchsten Berg (2.099m) sehen. Für wenige Sekunden tritt ein Berggipfel aus den Wolken hervor und ich mache, in der Hoffnung es sei der Kebnekaise, ein paar Fotos davon. Wir packen unsere Isomatten, Schlafsäcke und die anderen Sachen weitesgehend im Zelt zusammen. Der Boden außerhalb des Zeltes ist  zu nass.  Wir putzen die Zähne und machen uns abmarschbereit.

" Mein Rucksack ist durch den Verzehr von Trockennahrung vier Kilogramm leichter geworden. Dabei komme ich jeden Tag leichtfüßiger & schneller voran. Auch die Trittsicherheit hat sich in den letzten Tagen erhöht. Schwere Passagen sind immer noch schwer, aber die Sorgen sind kleiner geworden. "

Zu viel Zeit gibt es nicht

Wir liegen gut in der Zeit und merken, dass wir uns mit neun Tagen ein dickes Zeitpolster geschafft haben. Anfänglich zieht sich der Weg bis zur Kebnekaise-Station, bis wir auf ein entgegenkommendes Wanderpaar treffen. Im Gespräch zeigen sie uns in der Ferne einen Funkmast, der unnatürlich aus der Umgebung hervorragt. Dort soll sich die Kebnekaise STF Mountain Station befinden. Viele der Hauptpfade sind überschwemmt und schwer passierbar, so dass durch andere Wanderer viele neue Trampelpfade entstanden sind.

Schmatz, Schmatz!

Wir kommen an einen breites Flussdelta und suchen Flussauf und -abwärts eine passende Überquerungsmöglichkeit. Nach ergiebigen Regenfällen ist es schwierig geworden eine gute Überquerung zu finden. Die Flüsse sind über die Läufe getreten und sind jetzt zwei- bis dreimal so breit. Der Boden gleicht einer Moorlandschaft und jeder Schritt wird von einem schmatzendem Geräusch begleitet. Man sinkt teilweise so tief ein, dass man schnell die Flucht nach vorne antritt, denn auch Lederschuhe haben ihre Grenzen. Immer wieder schmeiße ich Sarah ein paar große Steine ins Flussbett, damit sie den Fluss besser überqueren kann. Ihre Füße bleiben den gesamten Kungsledenabschnitt über trocken, weil sie auch gute Schuhe trägt.  Wir schaffen es, die Passage einigermaßen schnell zu meistern und erreichen wenige Minuten später die Fjällstation am Kebnekaise.

" Meine Schuhe nässen mit der Zeit durch. Die dicke Schicht aus 3-facher Imprägnierung mit Wachs und Öl ist in den letzten Tagen komplett verschlissen. Wasser dringt langsam in die Schuhe ein & meine Socken saugen sich mit Wasser voll. Meine Füße bleiben durch die Bewegung immerhin warm. "

Mit nassen & trockenen Füßen kommen wir hungrig an und wollen eine letzte Nacht auf dem Kungsleden in einer Hütte verbringen. Sarah erklärt sich bereit dafür zu bezahlen. Ich gucke nicht schlecht, als ich den Preis von über 200€ für ein 10m² -Zimmer sehe. Dabei schaue ich Sarah an der Rezeption an und frage sie mehrmals , ob sie das wirklich will. Ein paar Minuten später öffnet sie mit der Zimmerkarte die Tür zur privaten Luxus-Suite, bestehend aus einem Doppelstockbett & einem Wandschrank. Die Wasch- und Duschräume befinden sich seperat am Flurgang.

Nichts geht mehr . . .

In unserem Blockhaus gibt es einen modernen Trockenraum, in dem ich das Zelt ausbreite und die Schuhe auf die Warmluftröhren stecke. Wir nehmen uns eine warme Dusche, liegen entspannt unter der kuscheligen Bettdecke, schreiben unseren Eltern und Freunden. Es gibt schließlich kostenloses Wi-Fi. Ausgeruht schlagen wir uns die Bäuche mit leckerem Essen aus dem Restaurant so voll, dass wir die Hosenknöpfe öffnen müssen, um weiter atmen zu können. Am Fenster sehen wir, wie alle halbe Stunde ein Helikopter mit Tagestouristen landet. Teilweise bringt er nur das Gepäck und wirft es ab. Ein komisches Gefühl kommt auf, wenn man sieht, wie die Leute mit Sneakers aus dem Hubschrauber steigen & man selbst mit schweren Wanderschuhen durchs Fjäll gestiefelt und durch tiefes Wasser gewatet ist. Wir werden heute nicht alt und gehen früh in unsere Betten. Ich liege mit der besten Aussicht wieder oben.



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